Die These, daß die jugoslawische Föderation die besten Weine von allen sozialistischen Ländern Europas produzierte, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Denn der Grund für die Weinqualität waren die Zuckerpreise. In den Republiken des Balkanstaates war ein Kilogramm Zucker immer mindestens so teuer wie die gleiche Menge Rebensaft. Im Staate Titos lohnte es sich nicht, die Grundsubstanz des Weins künstlich oder chemisch zu verstärken.
Das ist einer der Gründe für die Sehnsucht nach dem Saft der alten, erlesenen Trauben vom Balkan. Für Weinliebhaber ist das ein schwacher Trost. Denn abseits aller Sentimentalitäten hat sich das Angebot der Weinhandlungen seit dem Zerfall des Bundesstaates im Frühjahr 1991 auf etwa 20 wohlbekannte Sorten reduziert. Seit der Geburt der neuen Kleinstaaten sind die Enthusiasten zum Konsum regionaler Sorten verurteilt. Es gibt Belgrader, die zu Jugo-Nostalgikern wurden, weil sie unter dem Mangel an dalmatinischen Weinen leiden.
Zudem ist es nicht nur für die Konsumenten, sondern auch für die Produkte schwierig geworden, Reisevisa zu erhalten. Das gilt nicht nur für kroatische, sondern auch für die einst so beliebten makedonischen Weine. Aufgrund des guten Klimas und einer langen Anbautradition waren die Makedonier schon immer bekannt für ihre guten und vor allem ungewöhnlichen Trauben. Ihr größtes Problem lag lange darin, daß es in der südlichsten Teilrepublik keine guten Technologien zur Herstellung von Wein gab. Ein guter Teil der Ernte wurde deshalb zu Zeiten des alten Jugoslawiens Jahr für Jahr als Zwischenprodukt nach Slowenien gebracht. Im Austausch für den hervorragenden Traubensaft erhielten die Makedonier gepflegte slowenische Weine.
Beim Zusammenbruch Jugoslawiens fand sich die makedonische Weinindustrie folglich in einer schwierigen Situation. Denn nicht nur die Endproduktion, sondern auch die Flaschen und Korken waren aus anderen Teilen des gemeinsamen Staates gekommen.
Das griechische Wirtschaftsembargo gegen den 2-Millionen-Menschen-Staat Makedonien erschwert die Situation zusätzlich. Seit Beginn der Blockade ist der Weg vom Hersteller zum Verbraucher nur noch über Um- und Schleichwege möglich. Die Preise stiegen ins Unermeßliche, die makedonischen Weine büßten ihre Konkurrenzfähigkeit ein. Die dadurch verursachten Verluste werden auf rund drei Millionen Mark geschätzt. Anzeichen einer Besserung sind erst in allerjüngster Zeit erkennbar.
Obwohl offiziell niemand davon spricht - am wenigsten die "Tikves"-Manager selbst - haben griechische Händler erneut begonnen, Trauben aus dem Nachbarland zu kaufen, wenn auch nur unter der Hand und in kleinen Mengen. Nach fast drei Jahren Pause kann man makedonische Weine auch wieder in manchen privaten Belgrader Geschäften und Restaurants erhalten. Zudem sind Ansätze einer Modernisierung des Marketings erkennbar. Vor kurzem kam sogar ein slowenischer Designer in die makedonische Hauptstadt Skopje, wo er sich um die Entwicklung formschöner Etiketten und attraktiver Flaschenformen bemühen soll.
Um sich erneut einen Platz auf dem Weltmarkt zu erobern, starteten die Makedonier mit der Produktion einiger neuer "Country Red & White"-Weine. Ihnen und dem leicht perlenden "Vadarski Biser" bescheinigen Kenner eine hohe Qualität. Erwähnenswert ist auch "Alexandar", der dank seinem Namensgeber, dem US-Amerikaner Alexander Hadinski, schon länger auf dem amerikanischen Markt präsent ist.
Erwähnenswert sind auch die Sorten "Kratosija" und "T'ga Za Jug" (Sehnsucht nach dem Süden), ihr Geist ist untrennbar mit der makedonischen Volksmusik, der wohl gefühlvollsten des Balkans, verbunden. Das gilt auch für die betörenden und starken Weißweine, besonders den "Tamjanika" und "Rkatioeli"; ihr Geschmack gilt als die Ergänzung schlechthin zur makedonischen Berglandschaft. Liebe zur Musik, körperliche und geistige Entspannung, Unmittelbarkeit und Weltoffenheit - alles, was den Charakter Makedoniens ausmacht - hat den makedonischen Weinen seinen Stempel aufgedrückt.
Schwierigkeiten auf dem internationalen Markt bereitet die Tatsache, daß makedonische Weinsorten fast ausschließlich im Ursprungsland gedeihen; die meisten dieser alten Reben gibt es in keinem anderen Land der Welt. Zudem sind makedonische Weine aufgrund ihres ungewöhnlichen Aromas vielen Weintrinkern im ersten Moment suspekt. Andererseits gelten sie unter experimentierfreudigen Weinfreunden als Herausforderung. Zumal anerkannt wird, daß die Trauben aus Skopje keinerlei schmerzhafte Nebenwirkungen erzeugen: Auch heute noch ist Zucker in Makedonien Mangelware und unerschwinglich teuer.
Zu warnen ist lediglich vor übermäßigem Genuß. Der schwere, fast ölige Traubensaft trägt die ganze Kraft des südlichen Balkans in sich.
Übersetzung aus dem Serbokroatischen Rüdiger Rossig