Wer Makedonien aufteilen will, der vergisst die Minderheiten | Von Rajko Djuric
Wir wissen es alle: Ohne internationalen Druck wird sich der Balkan nicht in Richtung Frieden bewegen. Nun muss die internationale Gemeinschaft wieder Druck ausüben: Mitglieder der slawisch dominierten Akademie der Wissenschaften und Künste Makedoniens haben einen gefährlichen Tausch vorgeschlagen. Die Albaner sollen Gebiete nahe der Grenze zu Albanien abspalten dürfen. Dafür sollen sie aus der Region um die Hauptstadt Skopje, um Orte wie Kumanovo und anderen Teilen des Landes verschwinden. Konkret: Die Bevölkerungen der betroffenen Gebiete sollen umgesiedelt werden. Beide Seiten vergessen, dass dort nicht nur Albaner und Slawomakedonier leben.
Die größte Minderheit Makedoniens sind die Roma. Sie haben bereits einen hohen Preis für den Zerfall Jugoslawiens gezahlt. In Bosnien-Herzegowina etwa lebten vor dem Krieg rund 300.000 Roma. Heute sind es 10.000 bis 15.000. Im Friedensabkommen von Dayton 1995 wurden sie nicht einmal erwähnt. Im Kosovo gab es vor dem Krieg rund 250.000 Roma. Heute sind es etwa 8.000. Und selbst für diese wenigen Verbliebenen kann die internationale Gemeinschaft keine Sicherheitsgarantien geben. In Makedonien leben im Moment rund 400.000 Roma. Skopje ist die einzige Stadt der Welt, in der sie einen Stadtteil mit eigener Verwaltung haben. Auch Tetovo oder Kumanovo haben viele Bürger, die Roma sind. Erwartet sie jetzt dasselbe Schicksal wie die Roma im Kosovo?
Das Volk, das seit Hitlers Machtergreiffung drei Genozide erlebt hat, droht wieder einmal Opfer derjenigen zu werden, die sich um die ethnische Reinheit ihrer Länder sorgen. Leider scheinen das selbst die leidenschaftlichsten Kämpfer gegen die ethnische Reinheit nicht zu sehen. Dabei ist offensichtlich, dass es auf dem Balkan erst dann wirklich Frieden geben wird, wenn sich auch Roma und andere Minderheiten sicher fühlen können. Die internationale Gemeinschaft muss nach neuen Lösungen für den Balkan suchen. Gebietstausch, Umsiedlung und Aufteilung sind keine.
Der Autor ist Generalsekretär des PEN-Zentrums der Sinti und Roma und lebt in Berlin.
Deutsch von Rüdiger Rossig