Politische Beobachter, Fernsehgelehrte und Akademiker auf beiden Seiten des Atlantiks haben die vergangenen zwei Monaten damit verbracht zu erklären, wie die Irak-Debatte das transatlantische Klima derart verschlechtern konnte. Oberflächlich betrachtet scheint der Sturm hinter uns zu liegen. Seitdem die militärischen Auseinandersetzungen im Irak zu Ende sind bemühen sich beide Seiten, die Scherben zusammen zu suchen. Staatsoberhäupter telefonieren, transatlantische Besuche werden geplant und sowohl europäische als auch amerikanische think tanks laden zu einer Fülle von Veranstaltungen ein, die vom Wert der transatlantischen Beziehungen künden. Eine genauere Untersuchung der Rhetorik jedoch zeigt, dass bereits die Bühne für das nächste Unwetter bereitet wird - und zwar auf beiden Seiten des Atlantik.
Amerika schwebt auf einem post-irakischen, selbstgefälligen Hoch und ist sich sicher, dass die Bilder der in den Straßen tanzenden Iraker die Europäer ihre Haltung gegen den Krieg bezweifeln, vielleicht sogar bedauern gemacht haben. Die Europäer sind Zeugen eines erfolgreichen Präventivkriegs geworden, denkt das Weiße Haus. Was soll's, wenn wir keine Massenvernichtungswaffen gefunden haben? Die Hexe ist tot! Aber die Europäer sitzen nicht in ihren Straßencafés und trinken auf den US-Erfolg im Irak. In ihren Köpfen laufen die Bilder von Plünderungen und vom Chaos in Bagdad. Sie nehmen gar an, dass die kriegslüsternen Amis beginnen, ihre Präventivschlag-Strategie anzuzweifeln, ja zu bedauern. Jetzt, wo sie an die schwierige Aufgabe des nation building gehen müssen, sagen sich die Europäer, werden die Neokonservativen es sich zwei Mal überlegen, ob sie wieder militärisch in Aktion zu treten.
Diese unterschiedlichen Vorstellungen voneinander werden zwangsläufig zu weiteren, schweren Enttäuschungen und zu einer erneuten Zunahme der transatlantischen Spannungen führen. Bevor diese sich wieder zu einem Unwetter auswachsen sollten sowohl Europäer als auch Amerikaner mit der Unsitte brechen, sich die Haltung der jeweils anderen Seite in einer Art vorzustellen, die auf der eigenen Wunschliste basiert. Amerika wird sich zumindest unter dieser Regierung nicht von internationalen Verträgen behindern lassen, wenn es seine Sicherheit gefährdet sieht. Und Europa wird zumindest in seiner heutigen Form keine Streitkräfte aufbauen, die mit denen der Vereinigten Staaten rivalisieren und selbst weltweit Präventivkriege führen könnten. Je schneller jede Seite diese Realitäten akzeptiert, desto schneller können beide Seiten beginnen, gemeinsame Pläne zu entwickeln, die sie aus der transatlanitischen Schlechtwetterzone hinausführen.
Die Autorin ist Vize-Direktorin des Security Program im Center For Strategic Studies in Washington D.C.
Deutsch von Rüdiger Rossig