Flugzeuge des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses (Nato) kontrollieren seit Montag, 14.00 Uhr, die Einhaltung des Flugverbotes über der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina. Der erste Einsatz des westlichen Bündnisses seit seiner Gründung 1949 findet somit außerhalb des Bündnisgebietes der Nato statt. Der für die Operation verantwortliche US-General Mike Boorda sprach im italienischen Vizenca, von wo aus die Jagd- und Aufklärungsmaschinen ihre Befehle erhalten, von einem "historischen Augenblick", stufte die Aktion aber gleichzeitig auch als "sehr schwierig" ein. Der Offizier verwies auf das hügelige Gelände Bosniens. An der militärischen Durchsetzung des Flugverbotes sind Jagdflugzeuge der USA, der Niederlande und Frankreichs beteiligt.
Das Flugverbot für Maschinen aller bosnischen Konfliktparteien war im Oktober 1992 vom Weltsicherheitsrat beschlossen worden. Seitdem wurde der Beschluß nach Nato-Angaben mindestens 500mal verletzt, vornehmlich von Hubschraubern der bosnischen SerbInnen. Die Einigung auf eine militärische Überwachung der Maßnahme war nach langem Tauziehen am 31. März zustande gekommen. Die Nato-Besatzungen sollen illegal aufsteigende Flugkörper notfalls mit Gewalt zur Landung oder zum Verlassen des bosnischen Luftraumes zwingen. Das Oberkommando der bosnischen SerbInnen hat nach eigenen Angaben allen Einheiten befohlen, nichts gegen die Nato-Flugzeuge zu unternehmen.
Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) hat derweil alle Konvois für die seit Monaten belagerten Städta Srebrenica, Bratunac und Tuzla in Ost-Bosnien gestoppt UNHCR-Sprecherin Vesna Grubanic begründete die Maßnahme mit den fehlenden Sicherheitsgarantien für die UNO- Fahrzeuge. Bosnische SerbInnen hätten den letzten Konvoi auf dem Rückweg aus Srebrenica mit Steinen beworfen.
Am Samstag hatte zudem ein Konvoi leer aus der muslimischen Enklave zurückkehren müssen, da die dortigen Behörden die Evakuierung von weiteren 1.500 ZivilistInnen nicht erlaubten. Nach Ansicht der muslimischen Verteidiger Srebrenicas unterstützen die Evakuierungen die Politik der "ethnischen Säuberungen".
Der Waffenstillstand, der letzten Sonntag in Kraft getreten war, wurde nach einer Woche fast überall gebrochen. Nur 40 Minuten nach Inkrafttreten einer weiteren Feuerpausen-Absprache am Samstag schlugen in der Nähe von Srebrenica erneut zwei Mörsergranaten ein.
Auch an den anderen Kriegsschauplätzen in Bosnien-Herzegowina und entlang der kroatischen Küste wurde wieder gekämpft. Radio Zagreb meldete Angriffe serbischer Milizen im dalmatischen Hinterland "auf ganzer Front". Der kroatische Verteidigungsminister Gojko Susak forderte die UN-Schutztruppen für das ehemalige Jugoslawien (UNPROFOR) auf, ihre Truppen entlang der kroatischen Küste zu verstärken.
Nach Berichten der Pariser Presse könnte der UNPROFOR-Oberbefehlshaber in Bosnien, der französische General Philippe Morillon, in Kürze von seinem Posten abberufen werden. Nach Angaben der Tageszeitung Le Monde ist die Rückkehr nach Frankreich für die kommende Woche zu erwarten. Morillon erklärte dagegen, daß er in der derzeitigen "entscheidenden Phase" Bosnien nicht verlassen wolle, aber einem entsprechenden Befehl folgen würde.
Offiziell werden die lange Dienstdauer sowie Sicherheitsrisiken als Gründe für Morillons Abberufung genannt. Der französischen Presse zufolge aber hat der General Unmut bei der Militärführung ausgelöst, seit durch seinen persönlichen Einsatz für das belagerte Srebrenica die muslimische Enklave in den Mittelpunkt des internationalen Interesses gerückt ist.