Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Flüchtlinge in der Falle

Kroatien verweigert Muslimen aus der "Serbischen Republik" die Durchreise | Von Rüdiger Rossig

Es geht nicht vorwärts, es geht nicht zurück: Seit Donnerstag nachmittag sitzen 100 muslimische Flüchtlinge aus dem serbisch besetzten Teil Bosniens an der Grenze zu Kroatien fest. Die Behörden der exjugoslawischen Republik am ostslawonischen Kontrollpunkt Novska weigern sich, sie einreisen zu lassen - obwohl die Flüchtlinge kroatische Transitvisa und gültige Einreisepapiere für die Bundesrepublik haben.

Offiziell verlautete aus Zagreb nur, die Flüchtlinge stellten eine "Gefährdung" der für heute geplanten Demonstration kroatischer Vertriebener an der Grenze zu dem serbisch besetzten Gebiet dar. Dabei hatte Adalbert Rebic, der Leiter des "Amtes für Flüchtlinge und Vertriebene" der exjugoslawischen Republik, schon Ende letzten Monats angekündigt, sein Land wolle die "ethnischen Säuberungen" im serbisch besetzten Bosnien nicht weiter durch die Aufnahme von Flüchtlingen unterstützen. Konkret: Seit Anfang Juni dürfen nur noch 60 Bosnier pro Monat einreisen.

Daß Angehörige der kroatischen und muslimischen Minderheit in der sogenannten "Serbischen Republik" um ihr Leben fürchten müssen, spielte bei Rebics Entscheidung offenbar ebensowenig eine Rolle wie Berichte des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge über fortdauernde Übergriffe im serbisch besetzten Teil Bosniens. Auch nach Meldungen der Organisation "Den Krieg überleben", die den Flüchtlingskonvoi betreut, ist der Druck auf die in den serbisch besetzten Gebieten verbliebenen Kroaten und Muslime nach den militärischen Erfolgen der bosnische Armee in den letzten Tagen noch gestiegen. Die kroatischen Behörden überhören diese Mahnungen, obwohl in Zagreb bekannt ist, daß die Hilfsorganisation in den letzten zwei Jahren über 3.900 Menschen aus der "Serbischen Republik" evakuiert hat und deshalb dort über höchst zuverlässige Informationsquellen verfügt.

Flüchtlingen aus der "Serbischen Republik" bleibt folglich nichts anderes übrig, als in das von der bosnischen Regierung in Sarajevo kontrollierte Zentralbosnien auszuweichen. Dort leben heute rund eine Million Menschen mehr als vor zwei Jahren, bei Beginn des Krieges. Die Versorgungslage in Städten wie Tuzla oder Zenica beschreiben Mitarbeiter von Hilfsorganisationen als "katastrophal". Epidemien und Hungersnöte können trotz des seit Wochen geltenden Waffenstillstandes nur durch regelmäßige UN-Hilfslieferungen verhindert werden. Wie lange diese bei einem weiteren Zustrom aus der "Serbischen Republik" noch ausreichen werden, steht in den Sternen.

Immerhin erlaubten die kroatischen Grenzer den 100 Bosniern gestern früh, in ein von dem in Novska stationierten jordanischen UN-Regiment zur Verfügung gestelltes Zelt zu ziehen. Das Hauptproblem sei nun, daß die Wasserreserven zu Ende gingen, so das Bonner Büro von "Den Krieg überleben". Zudem bleibe vorerst unklar, wie Lebensmittel und Medikamente für die zwischen serbischen und kroatischen Truppen eingeschlossenen 100 Menschen beschafft werden können. Den Blauhelmen sind die Hände gebunden: Sie dürfen die Grenze nach Kroatien nicht überschreiten.