Kurswechsel sind die Spezialität von Vuk Draskovic. Seine politische Karriere begann der bärtige Demagoge Ende der Sechziger als Führer der Belgrader StudentInnen. Das Gefängnis im Belgrader Stadtteil Padinkska Skela, in dem er seit Mittwoch einsitzt, kennt der Vorsitzende der "Serbischen Erneuerungsbewegung" SPO noch aus dieser Zeit. Doch von dem Internationalismus, den "Vuk" 1968 den revolutionären Massen im Zentrum der serbischen Hauptstadt gepredigt hatte, ist nichts übriggeblieben. Längst hat der bärtige Populist mit der tiefen, wohltönenden Stimme seine marxistischen Ideen zugunsten eines extremistischen Serbentums aufgegeben.
Auch der Nationalismus des Vuk Draskovic ist gut für Überraschungen: Mal singt der Rauschebart Tschetnik- Lieder mit dem nationalen Extremisten Vojslav Seselj, mal tritt er vor Tausenden von SerbInnen als Verteidiger der bosnischen MuslimanInnen auf. Diese mannigfaltigen Verkleidungen lassen bei vielen liberalen und linken Oppositionellen im nachtitoistischen Serbien gar den Verdacht aufkommen, der Vorsitzende der SPO habe an sich gar kein politisches Programm abseits seiner eigenen Person. Vielleicht ist der 1946 Geborene gerade aufgrund dieses Mankos der einzige Politiker im restjugoslawischen Staat, dem die national fanatisierten Massen gegen Milosevic folgen würden.
Draskovic hat es seit seiner "Bekehrung" zum Nationalismus in den späten Siebzigern verstanden, sich gerade der ländlichen serbischen Bevölkerung als Apostel eines neuen Serbien zu präsentieren. Für die Massenverarmung der Bauern machte der Charismatiker mal die Kommunisten, mal die Kosovo-Albaner verantwortlich. Die Bauern glaubten dem Führer der SPO in beiden Fällen, obwohl Draskovic nie auch nur den Versuch machte, über die reine Kritik heraus Vorschläge zur Lösung der von ihm angesprochenen Probleme zu entwickeln. Mit Milosevic verbindet "Vuk" der perspektivlose Populismus, den die ländliche Bevölkerung Serbiens, die die eigentliche Stütze des Regimes des serbischen Präsidenten ist, wählt. Draskovics Verhaftung im Anschluß an die Demonstrationen vom Mittwoch kann zweierlei bedeuten: Entweder hat sich Milosevic seinen Hauptfeind vom Halse geschafft, oder er hat der nationalistischen serbischen Opposition einen Märtyrer geschenkt.