Gestern Morgen um 3 Uhr und 17 Minuten sprengten französische Soldaten der Friedenstruppe SFOR die Tür zur Wohnung von Momcilo Krajisnik in Pale bei Sarajevo. Wenige Minuten später wurde der ehemalige Politiker, der bis vor ein paar Jahren als mächtigster Mann des serbischen Teils der exjugoslawischen Republik galt, abgeführt - nur mit seinem Schlafanzug bekleidet und ohne Schuhe. Nun soll Krajisnik nach Den Haag gebracht und dort wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verletzung des Kriegsrechts und der Genfer Konvention vor das UN-Kriegsverbrechertribunal gestellt werden.
Krajisnik ist der ranghöchste mutmaßliche Kriegsverbrecher, der bisher im ehemaligen Jugoslawien verhaftet wurde. Anfang der 90er Jahre war er ein führendes Mitglied des bosnischen Arms der Serbischen Demokratischen Partei (SDS) und Präsident des bosnischen Parlaments. Bei Kriegsbeginn im Juni 1991 leitete Krajisnik, der mittlerweile zur rechten Hand von Serbenführer Radovan Karadzic avanciert war, die Besetzung zahlreicher Dörfer durch serbische Truppen. Er ist somit zumindest politisch verantwortlich für die damals begangenen Grausamkeiten.
Trotzdem wurde Krajisnik nach Ende des Bosnienkriegs 1995 Vertreter der serbischen Seite im dreiköpfigen Staatspräsidium. Ausländische Diplomaten nannten ihn wegen seiner hartnäckigen Haltung bei Verhandlungen nur "Mister No". Er konnte sich seine Sturheit leisten: Nach dem von der internationalen Gemeinschaft erzwungenen Abgang seines politischen Ziehvaters Karadzic war er der unbestritten mächtigste Mann im serbischen Teil Bosniens.
Doch zwei Jahre später zeigten sich tiefe Brüche im serbischen Lager. Biljana Plavsic, die eigentlich bis dato als Eiserne Lady der SDS gegolten hatte, warf ihrem Ex-Mitstreiter Krajisnik öffentlich Betrug, Schmuggel und Diebstahl von Volkseigentum vor. Kritische Medien deckten auf, dass er seine Kompetenzen unter anderem zur Kontrolle des Holzhandels, einer der wenigen lukrativen Einnahmequellen der Serbischen Repubik, genutzt hatte.
Am 9. September 1997 wurde Krajisnik nach einer Wahlkampfveranstaltung in der Plavsic-Hochburg Banja Luka von 2.000 wütenden Bürgern eingekreist. Stein und Eier flogen, Krajisnik konnte nur mit Hilfe der SFOR und der Plavsic-treuen serbischen Polizei der Stadt das Hotel verlassen. Damit war klar, das der Ex-Serbenchef politisch am Ende war. Gezwungenermaßen zog er sich ins Privatleben zurück. Seine Festnahme war eigentlich nur eine Frage der Zeit.