Es herrscht Dissens in der Regierung: Innenminister Otto Schily will die Kosovo-Flüchtlinge baldmöglichst heimschicken - die Ausländerbeauftragte Marieluise Beck warnt eben davor. Sie hat Recht - denn im Kosovo fehlen derzeit nicht nur zehntausende Unterkünfte, wie die Grüne diese Woche auf einer Informationsreise erfuhr. Auf dem Amselfeld exisitert nach zehn Jahren Apartheid, Krise und Krieg vor allem keinerlei soziales Umfeld mehr, in das die 160.000 bis 180.000 in der Bundesrepublik lebenden Flüchtlinge zurückkehren könnten.
Seit der Ankunft der Nato-Schutztruppe KFOR wurden rund 100.000 Menschen aus dem Kosovo vertrieben - die knapp 43.000 KFOR-Soldaten schauten hilflos zu. Von 6.000 angekündigten internationalen Polizisten sind bisher nur knapp über 2.000 angekommen. Jede Woche werden 20 Menschen ermordet - 400 bis Ende des vergangenen Jahres. Dem stehen nach Angaben der UN-Verwaltung Unmik bisher 35 abgeschlossene Gerichtsverfahren gegenüber. Ende vergangenen Jahres waren nach wie vor 600.000 Menschen obdachlos. 50.000 Häuser sind nach wie vor völlig zerstört, weitere 60.000 schwer beschädigt. Trotzdem fließen die nach Ende der Nato-Luftangriffe gegen Jugoslawien vollmundig angekündigten westlichen Hilfsgelder laut Unmik-Chef Bernhard Kouchner bisher nur spärlich. Klaus Reinhard, der deutsche KFOR-Kommandeur, betont immer wieder, seine Truppen operierten an der Grenze der Belastbarkeit. Beide - der Chef der zivilen und der der militärischen Komponente der internationalen Wiederaufbaubemühungen im Kosovo - teilten Anfang der Woche ganz offen dem Weltsicherheitsrat mit, ihre Mission im Kosovo drohe fehlzuschlagen.
Wer wie Schily angesichts dieser Situation eine schnelle Flüchtlingsrückführung anmahnt, bedient nicht nur offensichtlich hier zu Lande die Klaviatur des Rechtspopulismus. Schlimmer: Eine schnelle Rückführung der Kosovo-Flüchtlinge sabotiert die Friedensbemühungen der internationalen Gemeinschaft auf dem Balkan. Dass Beck zumindest einsieht, dass die Menschen aus dem Kosovo jetzt nicht nach Hause gehen können, klingt schon besser. Nur: Auch eine Verlängerung der "Duldung" genannten Aufenthalterlaubnis reicht nicht aus. Für eine geregelte Rückführung bedarf es zuerst eines gesicherten, längerfristigen Aufenthaltstitels in Deutschland. Hinzu sollten Ausbildungsangebote kommen, die die Flüchtlinge darauf vorbereiten, in ihre Heimat zurückzukehren. Das wird nicht billig - aber es würde letztendlich sicher weit weniger kosten als eine erneute Verschärfung der Lage auf dem Balkan.