Endlich! Zehn Jahre nach Beginn des Krieges um Ex-Jugoslawien erhält die arme Verwandtschaft im südöstlichen Hinterhof Europas 3,6 Milliarden Mark, damit sie aus dem Schlamassel herausfindet. Das beschloss die erste Geberkonferenz des Balkan-Stabilitätspaktes gestern in Brüssel.
Angesichts dieser Summe ist verständlich, dass Stabilitätspakt-Koordinator Bodo Hombach zufrieden ist. Er hat sein erstes Ziel erreicht: Der Stabilitätspakt verfügt jetzt nicht mehr nur über ein Büro in der belgischen Hauptstadt, sondern hat endlich echtes Geld zu verteilen. Hombach stehen sogar mehr Mittel zur Verfügung, als er im Vorfeld der Konferenz angemahnt hatte. Die Frage ist nun, wie die Hilfe konkret verwendet wird. Wird diesmal tatsächlich in eine anhaltende Entwicklung der Wirtschafts- und Sozialstrukturen der Balkanländer investiert? Oder werden die Gelder aus dem Stabilitätspakt in den Tiefen der Hilfsbürokratie versickern?
Bisher hat die internationale Gemeinschaft sich in Südosteuropa eher als schlecht vorbereitete Krisenmanagerin denn als tatkräftige Helferin beim Wiederaufbau gezeigt. Böse Zungen in Bosnien beschreiben den Standard-Mitarbeiter von UN oder OSZE als arroganten Teenager aus reichem Elternhaus - nicht eben ein Charakter, dem man zutraut, die Probleme dort oder im Kosovo zu lösen.
Hombach hat Recht, wenn er davor warnt, die Balkanier erneut zu enttäuschen. Denn die Erwartungen der Südosteuropäer an die Stabilitätspakt-Hilfe sind extrem hoch. Spätestens seit dem Krieg der Nato gegen den Staat Milosevic hoffen nicht nur die Ex-Jugoslawen, sondern Menschen überall in Südosteuropa, nun endlich würden ihnen reichere Länder helfen, die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Region anzugehen. Und tatsächlich machen ja die Deklarationen im Umfeld des Balkan-Stabilitätspaktes den Eindruck, als sei mittlerweile auch in den Metropolen des Westens die Erkenntnis angekommen, dass nicht etwa uralte ethnische Konflikte, sondern Armut und Chaos der Humus sind, auf dem der Nationalismus gedeiht.
Nach zehn Jahren Dauerkrise braucht der Balkan heute: eine wirtschaftliche Vision jenseits von großen Industrien, er braucht einen stabilen Mittelstand, Schulen und Universitäten zur Ausbildung einer neuen, friedlicheren Generation. 3,6 Milliarden Mark können da eine Menge bewirken.