Für ausländische Beobachter ist das Kandidatenchaos innerhalb der serbischen Opposition vor allem verwirrend: Nach den Massendemos Mitte der Neunziger hatten wir uns gerade an Vuk Draskovic und Zoran Djindjic als Führer der Opposition gewöhnt - da tauchten während des Kosovo-Kriegs Zarko Korac und Mile Djukanovic auf. Und kaum hat sich herumgesprochen, dass der eine Sozialdemokrat und der andere Präsident der Teilrepublik Montenegos ist, schon betreten mit Vojislav Kostunica und seinem Namensvetter Mihajlovic zwei völlig neue Gesichter die Arena.
Viele Köche verderben den Brei - das sind wohl die geflügelten Worte, die den meisten Balkan-Beobachtern angesichts des aktuellen oppositonellen Belgrader Ringelreihens in den Sinn kommen. Doch so gut der Satz klingt - zur Beschreibung dessen, was in Rest-Jugoslawien stattfindet, taugt er nicht. Denn der Koch auf dem Balkan heißt nicht Draskovic, nicht Djindjic, nicht Korac und bestimmt nicht Vojislav. Der Koch heißt Slobodan Milosevic, und das seit mehr als zehn Jahren.
Dass das so ist, weiß in Südosteuropa jedes Kind - und darum sieht auch kaum ein Mensch in den Kandidaten der serbischen Oppositon eine Bedrohung der Macht Milosevic. Im Gegenteil: Die Ex-Jugoslawen haben seit dem Zerfall der kommunistischen Herrschaft gelernt, dass Demokratie vor allem dazu dient, die Mächtigen noch mächtiger zu machen - und die Ohnmächtigen noch ohnmächtiger. Seit der Zulassung oppositionaller Parteien vor zehn Jahren ist Milosevic Macht ins Unermessliche gewachsen. Er und die Seinen kontrollieren heute in Serbien alles, von der Polizei über die großen Medien bis hin zum Schwarzmarkt. Den Gegnern des Regimes bleiben ein paar lokale Radiosender, Zeitungen und Magazine mit geringer Verbreitung. Sie nutzen diese vor allem, um sich gegenseitig zu verleumden - und stabilisieren damit die Macht dessen, der sie sowieso schon hat.
In Serbien gibt es einen Koch - und ein paar Möpse. Wir wissen aus dem Kinderlied, was der Koch mit denen macht, die Balkanier wissen es aus eigener, leidvoller Erfahrung. Einzig die Vertreter der Belgrader Opposition verschließen sich weiterhin hartnäckig der einfachen Erkenntnis, dass gegen Cliquenwirtschaften vom Schlage des Milosevic-Regimes keine Wahlen helfen. Bleibt zu hoffen, dass Milosevic abtrünniger Lehrling Djukanovic sich und seine Piratenrepublik weiterhin aus dem oppositionellen Stühlerücken heraushält. Denn von allen jugoslawischen Oppositionellen hat einzig der Montenegriner das Zeug dazu, selbst einmal der Koch zu werden.