Mußte der US-Sondergesandte Richard Holbrooke extra nach Belgrad fahren, um zu erfahren, daß Slobodan Milosevic im Kosovo auf eine Konfrontation zusteuert? Wohl kaum, schließlich kennt der "Architekt von Dayton" den jugoslawischen Präsidenten seit 1995. In seinem Buch "Meine Mission" hat Holbrooke die Art, in der Milosevic verhandelt, 1996 plastisch beschrieben. Er sollte also wissen, wann Milosevic bereit ist einzulenken - immer dann nämlich, wenn er dabei nichts zu verlieren hat.
Im Kosovo aber steht für den jugoslawischen Präsidenten einiges auf dem Spiel: Nicht nur ist die Provinz das mythologische Jerusalem des serbischen Nationalismus. Die Dauerkrise in Südserbien ist auch Milosevic' ständiges Argument für den Ausbau der Polizei, der Hauptstütze seines Regimes. Ein Nachgeben gegenüber den 90 Prozent Albanern im Kosovo könnte zudem auch in anderen Teilen Rest-Jugoslawiens wie der Vojvodina oder Montenegro als Signal dafür verstanden werden, daß Milosevic moderat geworden ist. Zu den Verhandlungen im französischen Rambouillet hatte der jugoslawische Präsident deshalb lediglich ein paar Angehörige der zweiten Garde seiner Partei, Vertreter der nationalistischen Opposition und ein paar Alibirepräsentanten der nationalen Minderheiten Rest-Jugoslawiens entsandt. Damit war klar, welchen Stellenwert er den Verhandlungen einräumt. Holbrooke wußte das: Der US-Diplomatieprofi selbst hatte schließlich - und nach eingehendem Studium aller Jugoslawienverhandlungen seit Beginn des Krieges - für Dayton auf Milosevic' eigenhändiger Unterschrift bestanden. Warum also dachte Holbrooke jetzt, zwei Wochen nach dem Abbruch der Rambouilletverhandlungen, er könnte den jugoslawischen Präsidenten umstimmen? Hier war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens: Seit 1996 befindet sich der Dayton-Mann in einem Karriere-Loch. Seitdem er triumphal einen vierjährigen Krieg beendete, tut sich nichts mehr. Die Nominierung zum US-Botschafter bei der UN wird von der republikanischen Senatsmehrheit verhindert, auf dem begehrten Außenministerposten sitzt Erzrivalin Madeleine Albright.
Mit dem Auftrag zum erneuten Besuch in Belgrad schien für Holbrooke endlich eine Chance gekommen, sich ins richtige Scheinwerferlicht zu setzen. Aber Pustekuchen - der Serbenpräsident machte nicht mit. Schade für Richard Holbrooke. Der muß jetzt zu Hause in Amerika weiter auf seinen nächsten Karriereschritt warten. Milosevic' Schergen brennen derweil weiter albanische Dörfer nieder. Aber das ist nicht Holbrookes Problem.