Es waren nur rund 250 Kosovo-Serben, die gestern und am Sonntag in Belgrad demonstrierten - aber sie protestierten gegen Miloevic. Und das ist neu. Bisher waren die "Brüder und Schwestern" aus dem Kosovo als Unterstützer des Diktators gefürchtet. Wie dramatisch die Lage ist, zeigt auch, daß Miloevic' Behörden manche flüchtende Serben aus dem Kosovo nicht ins serbische Kernland lassen. Denn diese Flüchtlinge verkörpern das Desaster von Miloevic' Politik.
Miloevic' Aufstieg wäre ohne die Kosovo-Serben undenkbar gewesen. Es waren serbische Kulturorganisationen aus dem Kosovo, die ihm 1987 zum Sieg beim Putsch gegen das reformistische Zentralkomitee verhalfen. 1989 stürzten diese Organisationen die multiethnische Führung der nordserbischen Provinz Wojwodina - im Auftrag Miloevic'. Wenig später war die von Albanern dominierte Regierung des damals noch autonomen Kosovo an der Reihe.
Doch seit dem verlorenen Krieg in Slowenien, der Vertreibung der kroatischen Serben aus der Krajina und dem Bosnienkrieg haben sich die Zeiten geändert. Von Miloevic' Großserbien-Projekt ist eigentlich nichts als eine halbe Million serbischer Flüchtlinge übriggeblieben, die ohne Chance, jemals wieder in ihre slowenische, kroatische oder bosnische Heimat zurückzukehren, in der Bundesrepublik Jugoslawien leben. Den rund 50.000 Serben, die bisher aus dem Kosovo geflohen sind, muß klar sein, welches Schicksal sie im Mutterland erwartet. Zumal Miloevic keinen Zweifel daran läßt, daß er nicht beabsichtigt, die Kosovaren besser zu behandeln als andere Flüchtlinge. Im Gegenteil: Die 200.000 Krajina-Serben, die 1995 erschöpft an der serbischen Grenze ankamen, erwarteten immerhin das Rote Kreuz und fliegende Händler (die ihren vertriebenen Landsleuten fünf Mark für die Dose Coca-Cola abknöpften). Für die Flüchtenden von heute hat Belgrad nur die Aufforderung übrig, ins Kosovo zurückzukehren.
Miloevic spielt mit dem Feuer. Er muß sicher sein, daß von den einstmals mächtigen Organisationen der Kosovo-Serben so wenig übrig ist wie von denen der Landsleute aus der Krajina. Wenn er in diesem Punkt irrt, dann steht Belgrad vor einer Machtprobe. Denn die Kosovo-Serben haben viel Erfahrung im Stürzen von Regierungen - und nichts zu verlieren.