Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Heimkehr der Gewalt

Serben gegen Serben | Von Rüdiger Rossig

An Gewalt aus Belgrad haben wir uns seit 1991 gewöhnen müssen. Neu an der derzeitigen Orgie der Brutalität ist also nur, dass sie sich nicht gegen Slowenen, Kroaten, Bosnier oder Kosovaren richtet - sondern gegen die eigenen Leute.

Natürlich waren immer auch Serben unter den Opfern des serbisch-nationalistischen Regimes. Da sind die Oppositionellen, die schon seit Beginn der Karriere des exkommunistischen Funktionärs Slobodan Milosevic unterdrückt, vertrieben und ermordet wurden. Nicht zufällig ließ "Slobo" 1990 - ein Jahr vor Kriegsbeginn in Slowenien - zuerst in Belgrad die Panzer rollen. Des Weiteren sind da diejenigen kroatischen und bosnischen Serben, die sich gegen die Politik der "ethnischen Säuberung" stellten. Und natürlich sind auch diejenigen Serben Opfer "ihres" Regimes, die aufgrund der Kriegspolitik aus Kroatien, Bosnien und dem Kosovo vertrieben wurden.

Die ersten Opfer des serbischen Regimes waren also immer Serben - und so ist es nur folgerichtig, wenn der kleine Potentat in Belgrad am Ende seiner Karriere versucht, "sein" ganzes Volk mit ins Grab zu nehmen. Die Macht dazu hat Milosevic zweifelsohne. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Armee ihm die Treue verweigern oder gar seine Polizei sich den Vernichtungsfantasien ihres Schöpfers entgegenstellen sollte: Serbien ist heute voll von arbeitslosen Kriminellen, die sich nach den Zeiten zurücksehnen, als sie noch in Ruhe kroatische und bosnische Städte und Dörfer ausplündern konnten. Diese Leute haben keine Scheu, auch zu Hause im selben Stil weiterzumachen - vorausgesetzt, es lohnt sich, und "Slobo", ihr Herr und Meister, lässt sie von der Leine. Belgrad und die anderen Städte Serbiens, die Küste Montenegros, der mehrheitlich muslimische Sandzak oder die traditionell reiche Wojwodina bieten fette Jagdgründe für erfahrene Hasardeure, Gelegenheitsmörder, Plünderer und andere Kriminelle.

Erstaunlich an der derzeitigen Eskalation der Gewalt ist somit höchstens, dass sich die Einschätzung, Milosevic und Co. seien Nationalisten, so lange gehalten hat. Denn der hehre Serbo-Chauvinismus Belgrads war offensichtlich nie etwas anderes als eine schlechte Tarnung für Mord und Totschlag aus niederen, materiellen Motiven. Machterhalt um jeden Preis und Plünderungslust waren der Humus, auf dem die Gewalt, die seit 1991 in Exjugoslawien wütet, gewachsen ist. Jetzt ist sie heimgekehrt.