Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Eingeschränkt schutzfähig

UN in Afghanistan | Von Rüdiger Rossig

Das war überfällig: Der afghanische Regierungschef Hamid Karsai hat gestern gefordert, das Mandat für die Internationale Afghanistan-Schutztruppe Isaf über die Hauptstadt Kabul hinaus auszuweiten. Bereits am Donnerstag hatte sich der UN-Beauftragte Francesc Vendrell ähnlich geäußert. Es scheint, als würden die Entscheidungsträger einen Monat nach Ankunft der ersten westlichen Truppen endlich verstehen, dass eine internationale "Schutztruppe" von 4.500 Soldaten diesen Namen nicht verdient. Denn auch 4.500 bewaffnete Militärprofis können nicht einmal die Sicherheit der Menschen in der afghanischen Hauptstadt garantieren - vom ganzen Land nicht zu reden.

Um das zu verstehen, braucht man nur einen Blick auf den Balkan zu werfen. In Bosnien, in Mazedonien und im Kosovo hat die westliche Militärallianz nach wie vor über 60.000 Soldaten stationiert. Dabei sind all diese Balkanregionen zusammen nicht nur viel kleiner als Afghanistan, sondern auch verkehrsmäßig vergleichsweise gut erschlossen. Nirgends in Europa gibt es derartige Höhenunterschiede und andere geografische Hindernisse wie im Hindukusch. Bosnien, Mazedonien und Kosovo sind kartografisch seit Zeiten voll erschlossen - und zudem wird in keinem dieser Teile Exjugoslawiens gekämpft, wogegen in Teilen Afghanistans noch immer Krieg herrscht. Die militärische Absicherung auf dem Balkan ist also ein vergleichsweise kleines Problem.

Angesichts dessen muss die Frage erlaubt sein, wer eigentlich auf die Idee gekommen ist, in Afghanistan mit 4.300 Soldaten Frieden schaffen zu wollen. Oder war das am Ende gar nicht geplant? Weder die Amerikaner noch ihre Verbündeten im Kampf gegen den Terror sind naiv oder dumm. Mit miliätärischen Aktionen im Ausland haben zumindest die USA, Großbritannien und Frankreich einschlägige Erfahrungen. Warum ließen sich diese Profis auf ein Himmelfahrtskommando à la Kabul ein?

Tatsächlich hatten die westlichen Sieger in Afghanistan wohl nie vor, das Land militärisch zu besetzen. Vielmehr hängen vor allem Briten und Amerikaner dem Glauben an, sie könnten die mit ihnen verbündeten afghanischen Warlords benutzen, um den Frieden abzusichern. Lokale Alliierte, die sich nicht an diese Aufgabenstellung halten, sollten wohl mit Bomben zur Räson gebracht werden. Nun - einen Monat nach dem Einmarsch des Westens - wird klar, dass diese Rechnung nicht aufgeht.