Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Sarajevo unter schwerem Artilleriebeschuss

Die bosnische UN-Schutzzone Bihac steht vor dem Fall | Von Rüdiger Rossig

Die bosnische Armee steht vor einer ihrer schwersten Niederlagen. Nachdem serbische Truppen aus Bosnien und Kroatien bereits am Mittwoch abend an mehreren Stellen in die westbosnische UN-Schutzzone Bihac eingedrungen waren, gerieten die bosnischen Verteidigungslinien gestern weiter ins Wanken. Die mit den Angreifern verbündete Privatmiliz des muslimischen Rebellen Fikret Abdic setzte zur Eroberung von Velika Kladusa an, der Stadt, aus der sie die bosnische Armee erst vor drei Monaten vertrieben hatte.

Zuvor hatte der serbische Armeekommandeur Manojlo Milovanovic Bihac zum ausdrücklichen Ziel der Offensive seiner Truppen erklärt. Es sei "unwichtig", ob es sich dabei um eine UN-Schutzzone handele. Das gilt offenbar auch für andere Schutzzonen in der umkämpften Republik: Ungeachtet des Verbots für schwere Waffen wurde gestern die bosnische Hauptstadt Sarajevo beschossen. Mindestens zwei Menschen wurden verletzt, als sieben Granaten in der Innenstadt einschlugen. Zwei Geschosse trafen den Präsidentenpalast, die anderen schlugen im Parlamentsviertel und am "Holiday Inn" ein, dem bevorzugten Hotel für Journalisten in der bosnischen Hauptstadt, wo auch die Botschaften Bonns und der Vereinigten Staaten untergebracht sind. Unabhängig davon, daß noch nicht feststand, wer die Granaten abgefeuert hatte, ist klar, daß die Serben in Abwesenheit eines neuen politischen Konzepts zur Beendigung des Krieges wieder die Initiative übernommen haben.

Bisher scheinen nur die USA daraus Schlüsse gezogen zu haben: Nachdem sie sich am letzten Wochenende aus der Überwachung des Bosnien-Waffenembargos zurückgezogen hatten, berichtete die britische Zeitung The Independent gestern, die Vereinigten Staaten würden die bosnische Armee mittlerweile mit Militärberatern, Luftaufnahmen serbischer Stellungen und Nachtsichtgeräten unterstützen. Hilfe sei auch bei der Reparatur des Flughafens von Visoko in Zentralbosnien geplant.