Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Bosnischer Bärenverkäufer

Der größte Tag im Leben des Nazif Mujić war der 16. Februar 2013. In dem Film „Aus dem Leben eines Schrottsammlers“ hatte der Rom aus Bosnien sich selbst gespielt – auf der Suche nach einem Arzt, der bereit wäre, Mujićs Frau Senada nach einer Fehlgeburt zu behandeln, obwohl diese weder eine Krankenversicherung hatte noch Geld zum Bezahlen.

„Als ich hörte, dass ich zum besten Schauspieler Europas gewählt worden war, hätte ich fast einen Gehirnschlag bekommen“, erinnert sich der 1960 Geborene an die Verleihung des Silbernen Bären für den besten Laienschauspieler der Berlinale. „Ich dachte: Jetzt wird unser Leben besser“, fügt Senada hinzu, „unsere Kinder kommen in eine Schule und wir können uns endlich eine Wohnung leisten.“

Doch der Preis brachte der Familie vor allem Probleme ein. Die Nachbarn in der Armensiedlung, in der die Mujićs mit ihren zwei Töchtern leben, konnten nicht glauben, dass der berühmte Schauspieler nur 1.300 Euro Gage erhalten hatte. Die anderen Schrottsammler ließen ihn nicht mehr mitarbeiten. Deshalb fuhren die Mujićs im November 2013 erneut nach Berlin und beantragten Asyl. Doch Armut ist kein Asylgrund. Im April 2014 reiste die Familie freiwillig aus, um eine Abschiebung zu verhindern. Zurück in die bosnische Armut.

An diesem Dienstag hat Mujić seinen Silbernen Bären verkauft. „Ich musste das tun“, erklärte er seinen Schritt auf der Website Klix.ba, „jeden Tag schaue ich auf die silberne Figur, während meine Kinder nichts zu essen haben.“ Im Januar will der Berlinale-Preisträger erneut nach Deutschland reisen – und mit seiner Familie dort bleiben. „Hier in Bosnien wollen sich alle mit mir und dem Bären fotografieren lassen – aber helfen will uns niemand.“

4.000 Euro hat Nazif Mujić für die Trophäe erhalten, auf die er so stolz war. Der für seine großserbische Haltung bekannte Regisseur Emir Nemanja Kusturica hatte 5.000 geboten, war aber zu spät dran. Neuer Besitzer des Silbernen Bären 2013 ist der Pokerspieler Senadin Ćosić. Der hat angekündigt, dass er die Trophäe einem bosnischen Museum schenken will, damit wenigstens sie – im Gegensatz zum Preisträger – im Land bleibt. Rüdiger Rossig

taz