Zuerst kam es zu Zusammenstößen, dann zu Scharmützeln. Jetzt fliehen die ersten Zivilisten aus der Grenzregion zwischen Makedonien und dem Kosovo. Derweil versucht die internationale Gemeinschaft, zwischen den Kämpfenden zu vermitteln. Das alles erinnert sehr an den Beginn der Kriege in Kroatien 1991, Bosnien-Herzegowina 1992 und dem Kosovo 1998. Es gibt nur einen Unterschied: Bisher schossen in Exjugoslawien immer die Serben zuerst. Diesmal sind die Angreifer Albaner.
Abgesehen davon jedoch sind die albanischen "Befreiungsarmeen" in Südserbien und an der makedonischen Grenze legitime Erben Slobodan Milosevic. Denn sie haben das politisch-strategische Konzept des ehemaligen Serbenherrschers zu hundert Prozent übernommen. Es heißt Nationalpopulismus und funktioniert denkbar einfach: Immer wenn die sozialen Probleme überhand nehmen, machen Teile des jeweiligen nationalen Establishments andere Nationen zu Sündenböcken, anstatt nach durchführbaren Lösungen zu suchen.
Makedonien steckt in einer tiefen Krise. In den Jahren der UN-Sanktionen hatten sich die Serben in der Nachbarrepublik mit Gütern eingedeckt, die sie zu Hause nicht kaufen konnten. Im Grenzgebiet fanden tausende Albaner und Slawen ein Auskommen in Supermärkten, Kfz-Werkstätten und kleinen Hotels. Doch seit dem Sturz Milosevic ist der Markt zusammengebrochen. Besonders junge Männer leiden unter dem Mangel an Perspektive - ein ideales Rekrutierungspotenzial für Leute, die einfache Antworten im Gepäck haben.
Bisher haben die internationalen Vermittler auf dem Balkan immer mit denen verhandelt, die Waffen einsetzten. Der Effekt war in allen Fällen: Krieg. Vor einer Woche demonstrierten rund 30.000 Albaner und Slawen in der makedonischen Hauptstadt Skopje für Frieden und Gerechtigkeit. Einen Tag danach gingen in Tetovo 3.000 Albaner für eine Abspaltung von Makedonien auf die Straße. Die internationale Gemeinschaft sollte sich überlegen, mit wem sie verhandelt.